Zur aktuellen Situation

Wir fühlen uns gut auf die derzeitige Situation vorbereitet und wollen unsere bestehenden Strukturen ausbauen und an die neue Lage anpassen. Wir planen eine Reihe von Aktivitäten, um die Bewohner der Unterkunft im ehemaligen Hotel Prinz Eugen und auch die Anwohner nicht allein zu lassen.
Wir gehen davon aus, dass wir in unserer Arbeit vom Betreiber und auch von der Stadtverwaltung unterstützt werden und wollen nach wie vor alles uns Mögliche dafür tun, dass Laubegast der schöne Stadtteil bleibt, der es ist. Die Spaltung der Bürgerschaft geht  nicht von uns aus, im Gegenteil, wir möchten allen die Hand ausstrecken.

Auf vielfachen Wunsch hier der vollständige Text der Rede, die ich Gestern im Stadtrat halten konnte:

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister, sehr geehrte Bürgermeister, sehr geehrte Stadträte, liebe Gäste,

zunächst einmal vielen Dank an die Fraktion der Grünen für die Gelegenheit, hier sprechen zu können.

Ich bin seit etwas mehr als einem Jahr als Koordinator des Bürgernetzwerkes „Laubegast ist bunt“ konkret mit der Arbeit für Flüchtlinge beschäftigt.

Ich muss gestehen, dass auch ich, als wir uns damals entschlossen, uns diesem Thema zu widmen, Ängste hatte, Sorgen. So viele fremde Menschen, teils aus fremden Kulturen. Ich selbst hatte noch keinen Flüchtling näher kennengelernt und fragte mich: „Was kann ich, was können wir überhaupt für diese Menschen tun?“

Jetzt, ein Jahr später, kann ich Ihnen die Antwort geben: wir können sehr viel tun!

 
Ich habe von Anfang an gesagt und tue das immer noch, dass man die ganze Problematik im Grunde in zwei Begriffen zusammenfassen kann:

Der erste ist: Empathie
– um nichts anderes geht es, um Mitgefühl für Menschen, die Hilfe brauchen.

Zweitens aber ist wichtig, dass es bei dieser Arbeit keinen Platz für Sozialromantik gibt. Die Integration – und ich meine nicht Assimilation – ist eine große Aufgabe, und sie bringt Probleme mit sich, die man angehen muss, nicht verschweigen. Aber selbstverständlich auch nicht polemisch überbetonen.

Es sind keine Kriminellen, die in das ehemalige Hotel Prinz Eugen einziehen werden, und es sind keine Heiligen.
Es sind MENSCHEN.

Aber zurück zu dem, was wir leisten und leisten können.

Wir sind ein Netzwerk von mehr als zweihundert Bürgen von Laubegast, von denen momentan vielleicht 30, perspektivisch mindestens 50 aktiv ehrenamtlich Zeit aufwenden und konkrete Arbeit leisten.

Wir bieten momentan dreimal, ab Mitte November sechs Mal pro Woche Deutschunterricht an, wir haben einen Begegnungs-nachmittag in der Kirchgemeinde etabliert, wir eröffnen noch im November eine Fahrradwerkstatt und bieten regelmäßigen Hallensport an. Wir haben Ende September ein großes Familienfest veranstaltet, was wir gern wiederholen wollen, und eine Vielzahl von Informationsveranstaltungen durchgeführt.

Ich möchte an dieser Stelle betonen, weil darauf immer wieder herumgeritten wird: alle unsere Angebote sind selbstverständlich auch für Menschen mit deutschen Pass offen. Wer also bedürftig ist und gern Deutsch lernen möchte oder sein Fahrrad unter Anleitung reparieren will, der ist uns herzlich willkommen.

Nun zu dem, was aus MEINEN Sorgen und Ängsten geworden ist. Ich habe in den vergangenen Monaten sehr viele Flüchtlinge aus vielen verschiedenen Ländern kennengelernt. Ich kann Ihnen sagen, dass diese Begegnungen mein Leben verändert und bereichert haben. Es sind in unserem Netzwerk und auch bei mir persönlich Freundschaften entstanden, und wir haben auch die Probleme kennengelernt, die die Asylsuchenden haben. Ein großes Problem ist zum Beispiel, dass sie sagen: „Keiner redet mit uns, viele Menschen haben etwas gegen uns“.

Ich habe viele freundliche, dankbare Menschen kennengelernt, die begierig darauf sind, unsere Sprache zu lernen, die gern Teil unserer Gesellschaft werden wollen. Und arbeiten wollen die übrigens alle, möglichst schnell.

Und was ist mit der Sozialromantik?

Wenn man die weglässt, und das tun wir, dann ist es sehr erstaunlich wie viel wir erreichen können. Die Fortschritte beim Spracherwerb sind deutlich, und wir sehen unsere Arbeit mit den Asylsuchenden auch als ganz praktische Hilfe bei der Integration an. Das heißt, wir vermitteln den Flüchtlingen nicht nur die Sprache, sondern auch die Werte und Regeln unseres Zusammenlebens. Kürzlich habe ich viele Fragen zweier syrischer Männer beantwortet, die sie zu unserer Demokratie, zu unserer Form des Zusammenlebens hatten.

Wir haben sogar schon einigen beim Start in ein Arbeitsleben helfen können, Lehrstellen, Praktikumsplätze und Kontakte vermittelt.

Teile der neuen Gesetze und Initiativen auf politischer Ebene sind, bei aller Verfassungswidrigkeit anderer Teile davon, auch durchaus hilfreich für unsere Arbeit.

Seit Neuestem können Asylsuchende aus Iran, Irak, Syrien und Eritrea Sprachkurse kostenlos absolvieren. Ich habe viele Kontakte, auch zu Bildungsträgern, so dass wir die neuen Bewohner in der Gustav-Hartmann-Straße direkt dorthin vermitteln können.

Alle, die da keinen Platz finden und die anderen Flüchtlinge, aus Afghanistan, Somalia, Lybien und so weiter, die werden wir dann selbst unterrichten.

Sie sehen, wir sind gut vorbereitet und werden uns intensiv kümmern. Wir werden versuchen, zusätzlich zu den Sozialarbeitern, ein offenes Ohr für die Probleme der ANwohner und auch für die der BEwohner der Unterkunft zu haben.

Ich möchte erneut den Anwohnern und Kritikern sagen: kommen Sie, helfen Sie mit, lernen Sie diese Menschen kennen, haben Sie keine Angst vor Veränderungen, wir können diese selbst gestalten, denn wir sind viele, und WIR alle sind doch die Gesellschaft!

Claus Dethleff, Netzwerkkoordinator